Der Interessenskreis „Koppehl’sche Familienstiftung 1604“
Ohne dessen Arbeit gäbe es die heutige Familienstiftung des Georg Koppehele vermutlich gar nicht mehr.
Natürlich kannte ich seit Kindertagen die Geschichte der Familienstiftung und die Schäfersage, aber da die Daten so gar nicht zusammen passten, hielt ich es eher für ein Märchen.
Bis mein Sohn im Internet den „Interessenskreis der Koppehl’ischen Familienstiftung 1604“ entdeckte und ich Frau Kühn kontaktierte. Was für eine Überraschung:
Hinter den märchenhaften Erzählungen verbarg sich tatsächlich eine urkundlich belegte und über Jahrhunderte aktive rechtliche Einrichtung – die Koppehel’sche Familienstiftung, die bis in die Anfänge des 20. Jahrhunderts noch aktiv war.
Frau Kühn und die Mitglieder des „Interessenskreises der Koppehl’ischen Familienstiftung 1604“ setzten alles daran, damit diese fast vergessene Familienstiftung wieder reaktiviert werden konnte. Diesem Engagement ist es zu verdanken, dass die Stiftung 2010 reaktiviert werden konnte.
Und wer könnte darüber besser berichten als Frau Gerlinde Kühn selbst:
Es war ein kurzer und dennoch wichtiger Verwaltungsakt, dass die 1604 gegründete Familiensiftung des Kirchenmannes Georg Koppehele in Magdeburg durch Eingaben wiederbelebt wurde, erinnert sich Frau Kühn.
Aufzeichnungen aus der Gründungszeit erinnern daran, dass es eine Ehre gewesen sein musste, zur Familie zu gehören mit dem Vorteil einer eventuellen Unterstützung. Das war sehr hilfreich für die damalige Zeit. Das Argument wirkte vermutlich bei der Beschlussfassung der Behörden sowie bei der Befürwortung der Wiederbelebung – und dafür unseren Dank!
Wie kam es überhaupt dazu, dass die Familienstiftung wiederbelebt wurde?
Es war tatsächlich die Arbeit von Jahrzehnten. Beinahe unvorstellbar, denn in den 1980er Jahren waren noch nicht viele Akten, die in den Archiven lagerten, gesichtet und katalogisiert.
Gerlinde Kühn: Ab 1980 etwa suchte ich nach Familienmitgliedern der Familienstiftung in der Bundesrepublik und der damals noch existierenden DDR. Es gelang mir einige Familienmitglieder zu finden, die die „alte Koppehel’schen Familienstiftung “ noch kannten, wie auch Jüngere, die sich für die Familienstiftung interessierten. Kompetente Hilfe fand ich im damaligen Leiter des Jüterboger Museums und auch bei den Mitarbeitern des historischen Archivs Jüterbog. Glücklicherweise konnte ich noch einige Personen finden, die von ihren Jugendjahren berichteten und auch einige Schriftstücke aus der Zeit besaßen. Es gab einige, die eigene Recherchen zur Familiengeschichte anstellten, aber sie hatten alle wenig Kontakt untereinander.
Genannt seien hier Herr Wegener, der Kopien aus Kirchenbüchern anfertigte, Herr Koppehele, Berlin, mit Beiträgen zur Familiengeschichte, und Herr Witt, der Informationen über die Meißner-Familie beisteuerte. Um die Fülle an Geschichten aufzufangen, gründete ich dann den Interessenskreis der Koppehl’ischen Familienstiftung 1604 und dachte an eine Veröffentlichung. Ich erstellte eine Homepage (www.kopphelestiftung.de) und war über Internet zu erreichen. Viele traten diesem Kreis bei und verknüpften sich untereinander, d.h. jetzt erst fand ein Austausch statt.
Nicht viel war bekannt über die Stiftungsverwaltung. Deshalb wurde als Untertitel der Veröffentlichung „Die Stiftungsverwaltung im Wandel der Jahrhunderte“ gewählt. Diese Übersicht, die keine endgültige sein konnte, lieferte aber Informationen über
- den Stiftungsgründer, der ohne eigene Nachkommen war, aber ein großes Vermögen hinterließ, dass er den Nachkommen seiner Geschwister zur Verfügen stellen wollte
- den sagenhaften Fund des Goldschatzes, der mithalf den Bau des Doms zu Magdeburg zu finanzieren. Bis heute ranken sich viele Geschichten drum.
Die eigene Geschichte wurde mit eingebracht und bei der Gelegenheit nach unbekannten Personen auf alten Fotos gesucht. Dieser Weg der Offenlegung war der erste Versuch nach 100 Jahren, Details zusammenzutragen, was mancherorts auch für Kritik sorgte. Mir schien es jedoch wichtig, die vorhandene Daten zusammenzustellen und eine gemeinsame Grundlage zu schaffen. Familienmitglieder waren und sind dazu eingeladen diese zu ergänzen und zu korrigieren. Die ideelle Unterstützung die ich bekam, bestärkte mich, meine Recherchen fortzuführen.
Ich musste lernen, dass die Familie Meißner aus Jüterbog, später in Berlin, die ersten Akten der Familienstiftung von Magdeburg nach Jüterbog geholt hatten. Aus heutiger Sicht erschwert dieser Umstand die Recherchearbeiten, denn Listen mit Familien aus Jüterbog befanden sich zuerst im Domarchiv Magdeburg, später auch im Archiv Potsdam.
Beim Besuch im Domarchiv Magdeburg mit einem Expertenteam und Frau Trautmann vom Landesverwaltungsamt Sachsen-Anhalt, die an der Sichtung der Altakten beteiligt war, durfte ich dabei sein und entdeckte tatsächlich Gottlob Scheer, meinen Urgroßvater, Weißgerbermeister in Jüterbog, Pferdestraße, auf einer Liste der Mitglieder der Familienstiftung.
Bis 2010 waren es um die 50 Personen aus Ost und West, Österreich, Australien und Hawai, die sich beim Interessenskreis meldeten. Ich hatte mit vielen Interessierten Kontakt und es gab einen regen Gedankenaustausch und so wurde auch der Gedanke an eine Wiederbelebung im von mir geschaffenen Interessenskreis zur Diskussion gestellt.
Kaum war die Stiftung reaktiviert, gab es auch schon eine Anfrage bezüglich einer Unterstützung. Damals stand die Stiftung jedoch erst am Anfang und um Gelder gewähren zu können, fehlten die Mittel. Mit dem Verkauf der Broschüren und den Kopien von Kirchenbuchauszügen, die Herr Wegener, Berlin, zusammen stellte, konnten wir einen kleinen Betrag erarbeiten, den ich als Gundstockkapital der Stiftung zur Verfügung stellte und deren detaillierte Aufstellung dem Vorstand vorliegt. Die Stiftung allein durch Spendengelder am Leben zu halten, ist schwer möglich.
Zu überlegen ist ein geringer Jahresbeitrag um Geld zu sammeln für Mitteilungen auch auf dem Postweg, [denn nicht jeder besitzt einen Zugang zum Internet]. Auch an die Nachfolge für die eigene Arbeit sollte rechtzeitig gedacht werden.
Wenn alles am Boden liegt, gibt es die Chance zum Neubeginn. Gebraucht werden Menschen, die mittragen und mitgestalten im Sinne der Vorfahren, die ihre Wünsche vortrugen und lange Zeit vom Stiftungsgedanken beseelt waren.
Mein Vater, 1923 gerade 7 Jahre alt, der schlimme Zeiten überstanden hatte, schrieb 1946 im Buch der Familiengeschichte, dass für ihn die Familienstiftung wichtig war zum Start ins neue Leben nach dem Krieg. Damals war der umfassende Kenntnisstand der Geschichte eher gering. Notiert wurde von ihm, dass die Grundlage für Koppehel’sche Stiftung erloschen sei. Das schrieb er aus Erinnerungen und Erzählungen, denn seine Familie mit Eltern und Verwandten, also sein Zuhause, waren aufgrund von NS Gesetzen nicht mehr vorhanden.
Das war sicher einer der Gründe, warum Frau Kühn der Geschichte ihrer Eltern nach ging und sich damit auch mit der Koppehel’sche Familienstiftung näher auseinandersetze.
Anfangs wurde die Stiftung vom Domkapitel verwaltet. 200 Jahre später von Kuratoren die aus dem Kreise der Familie gewähl werden sollten. Frauen, auch wenn sie den Namen Koppehele trugen, waren an den Beschlüssen nicht beteiligt. Während der vergangenen 400 Jahre, von 1604 bis 2010 gab es einschneidende politische Einflüsse und Weltkriege, die nicht spurlos vorbei gegangen sind; Hürden der Geschichte mussten überwunden werden. (wie z.B. die Umbenennung in Verband des Geschlechts der Koppehele 1934.) Nach den Weltkriegen war das nackte Überleben wichtiger als der ideelle Traum von der Gemeinschft in der Familienstiftung. Nun, 10 Jahre nach der Wiederbelebung ist es Zeit, die einzelnen Abschnitte der Familiengeschichte zu hinterfragen, meint Frau Kühn.
Von der Kaiserzeit über die Weimarer Republik und die beiden Weltkriege, über die DDR bis heute gab es mehr als eine einschneidende Veränderung, die viel Leid über die Menschen brachten. Der I. Weltkrieg mit seinen katastophalen Auswirkungen ging auch an der Stifttung nicht spurlos vorüber.
Begeisterung der Familienangehörigen im Vereinsleben war vorhanden, dennoch reduzierte in der Weimarer Republik die Inflation das Vermögen. Das Versailler Diktat mit den aufgezwungenen Reparationszahlungen belastete weiter, leider keine gute Zeit für die Familienstiftung, erzählt Frau Kühn.
In der Zwischenkriegszeit, wo jeder Groschen gebraucht worden wäre, war das Stiftungsvermögen geschrumpft, soweit es überhaupt noch vorhanden war.
Die politische Entwicklung der folgenden Jahre vereinnahmte auch die Koppehel’sche Familienstiftung. Einige Familienmitglieder, die dem Regime nahe standen, gründeten den „Familienverband des Geschlechtes der Koppehele“ und trafen damit eine, dem dritten Reich entsprechende, Selektion. Es gab viele Gründe, warum einem Familienmitglied die Aufnahme in den Familienverband verwehrt blieb; Religionszugehörigkeit, politische Einstellung, künstlerische Ambitionen, die als entartetgalten, um nur einige zu nennen. Rechtlich war der Familienverband ein Verein, dem man aktiv beitreten musste. Die Mitglieder wurden registriert und mussten 3.50 RM Mitgliedsbeitrag zahlen.
Wesentlich beteiligt an der Gründung des Verbandes war K.W. Emmermacher, der auch zum 1. Kurator der Familienstiftung bestellt wurde. Schon bald danach endeten seine Auftritte – für viele der engsten Zeitzeugen unerwartet – mit dem Verschwinden und Plündern des Stiftungskontos; die ganze Geschichte wurde nicht völlig aufgeklärt, gibt Frau Kühn die Worte eines Zeitzeugen wieder. Dass diese Geschichte bis heute Unmut erzeugt und viele Fragen aufwirft, ist verständlich. Auf der Webseite der Familienstiftung, http://koppehele.net finden Sie einen Beitrag zu seiner Person. Tatsache ist, dass sich der Familienverband durch seine Person eine bessere Einflussnahme in die Geschäftsführung der Stiftung erwartete. Wer nicht im Verein registriert war, konnte auch nicht auf Unterstützung hoffen. (ein Beitrag zu diesem Thema ist in Arbeit)
Inzwischen wurde die Familiengeschichte nicht nur durch meine Arbeit sondern auch durch einige Recherchen anderer Privatpersonen ergänzt. Heute arbeiten engagierte Angehörige der Familie ehrenamtlich innerhalb und außerhalb des Vorstandes. Sie verwalten das Vermögen, das, langsam zwar, aber doch, anwächst. In Archiven gefundenen Schriftstücke und solche, die von Familienmitgliedern beigesteuert werden, werden sorgsam in die Stiftungsgeschichte eingearbeitet.
Frau Kühn ist Mutter von drei Töchtern und hatte für ihre Familienforschung nur an den Wochenenden Zeit um zu neuen Adressen zu reisten und Informationen über die Geschichte der Familienstiftung sammeln. Dies neben Kindern, Haushalt und Beruf zu tun, verlangt nicht nur Begeisterung, sondern auch Organisationstalent und Energie. Von den Kosten gar nicht zu Reden. Nachdem die Satzung entworfen und genehmigt worden war, zog sich Frau Kühn zurück, um den neuen Bewahrern der Familienstiftung Gelegenheit zu geben sich einzuarbeiten und ihren eigenen verantwortungsvollen Stil zu entwicklen.
Am 23. Oktober 2010 fand die erste Familienversammlung in der Sakristei des Magdeburger Doms statt. Anwesend waren: Herr Güttes, Vorsitzender des Stiftungskuratoriums, Frau Kühn, Kuratorin, Herr Scheer, Kurator und zahlreiche Familienmitglieder.
Nach einer kurzen Andacht des Dompredigers Gieselher Quast wurden die ersten Entscheidungen zum weiteren Bestehen der reaktivierten Familienstiftung gefasst. Bei dieser Gelegenheit wurde auch durch Abstimmung beschlossen, dass die Koppehl’sche Familienstiftung nun den offiziellen Namen Familienstiftung des Georg Koppehele tragen soll.
Frau Trautmann vom Landesverwaltungsamt des Landes Sachsen-Anhalt berichtete über die Anfänge des Prozederes zur Wiederbelebung, die keineswegs „eine g’mahte Wiesn“ war. Es mussten einige Hindernisse überwunden werden, denn die Quellenlage war anfangs nicht ganz schlüssig und erst ein Zufallsfund hat ergeben, dass die Koppehel’sche Familienstiftung einer Auflösungskampagne zur DDR-Zeiten entgangen war, formal also noch existierte.
Frau Kühn erwähnte bei ihren Forschungen drei Personen die wesentlich an der Arbeit des Interessenskreises beteiligt.
Herr Günter Koppehele, der sich auch schon sehr früh mit Georg Koppehele und seiner Familie beschäftigte.
Herr Witt, der vor allem über Unterlagen zur Familie Meißner verfügte.
Herrn Wegener, der an seinen freien Tagen sämtliche Pfarrämter um Jüterbog besuchte und die Kirchebucheintragungen abschrieb. Sein Nachlass befindet sich im historischen Archiv Jüterbog.
All jenen, die seit den Anfängen gemeinsam mit Frau Kühn daran gearbeiten haben, dass es die Familienstiftung wieder gibt, sei herzlich gedankt. Ein solch großes Projekt am Leben zu halten, braucht viele vereinte Kräfte. Ich hoffe sehr, dass sich auch in Zukunft genügend engagierte Mitglieder finden, die die begonnene Arbeit fortsetzen.