Stiftungsgeschichte

Stiftungsgeschichte

Gegründet wurde die Familienstiftung des Georgius Koppehele 1604 und es erscheint fast wie ein Wunder, dass die Stiftung trotz der vielen Turbulenzen und politischen Umbrüche heute noch existiert. Die Koppehel’sche Familienstiftung ist die älteste der Stadt Magdeburg und die drittälteste in Sachsen-Anhalt. Im Raum Zerbst existierten bereits zwei sogenannte Familienstipendien: Das Küchenmeister- und Litzow’sche Familienstipendium und das Sieblerlehn’sche Familienstipendium.
Georgius Koppehele, zweiter Sohn des Bauern Johann Koppehele aus Gräfendorf, hatte die Möglichkeit die Lateinschule in Jüterbog zu besuchen (siehe auch: Koppehele Biographie) und in Wittenberg Theologie zu studieren. Nach seinem Studium trat dem Magdeburger Domkapitel bei. Der genaue Zeitpunkt ist nicht bekannt, aber 1581 wird er in einem Vertrag mit dem Bauern Bernd Jahns bereits als summus vicarius erwähnt (siehe auch: Vertrag).
Durch Fleiß, Sparsamkeit und wirtschaftlichem Geschick gelang es ihm ein beträchtliches Vermögen zu erwirtschaften, dass er zum Wohle der Nachkommen seiner vier Geschwister, Thomas, Margaretha, Anna und Elisabeth, verwendet wissen wollte. Daher verfügte er in seinem Testament, dass der Besitz nicht veräußert werden dürfe, und nur die Erträge des Vermögens für die Unterstützung der Nachkommen seiner Geschwister verwendet werden sollten. Erwähnenswert ist, dass sowohl männliche als auch weibliche Nachkommen berücksichtigt wurden. Mit seinem Tod am 16. Dezember 1604 trat das Testament in Kraft. In der Regel ist in den Schriftstücken von Benificii und Stipendii die Rede.
Das Vermögen bestand hauptsächlich aus Grundbesitz, für den Pachten und Erträge in Naturalien anfielen, aber auch in Barvermögen (siehe: Satzungen und Reglements und Die Akte Schultze gegen Krähe).

Während der ersten zwei Jahrhunderte wurde die Stiftung vom Magdeburger Domkapitel verwaltet. Um in den Genuss einer Unterstützung zu kommen, musste die Familienzugehörigkeit nachgewiesen werden, was auch von den jeweiligen Administratoren überprüft wurde (siehe: Satzungen und Reglements, Das Koppehel’sche Legatum zu Magdeburg, Keine ächte Verwandte).

Leider ist das Originaltestament – vermutlich in den Jahren des 30-jährigen Kriegs (1618 -1648) – verloren gegangen. (siehe auch: Die Akte Schultze gegen Krähe, Brief von Erasmus Chr. von Arenstedt vom 31. August 1696). Die später verfassten Reglements versuchten dem Stifterwillen, so weit es möglich war, zu entsprechen, mussten aber immer wieder leicht verändert werden, da das Vermögen, bzw. dessen Erträge bald nicht mehr ausreichten um alle Ansuchen positiv zu erledigen.

Das erste, heute noch erhaltene Reglement wurde am 16. November 1755 von der königlichen Regierung genehmigt und trat im Jahr 1756 in Kraft (siehe: Satzungen und Reglements).
Georgius Koppehele wollte den Nachkommen seiner Geschwister in möglichst vielen Lebenslagen helfen, was, wie man sich vorstellen kann, auf Jahrhunderte gesehen nicht funktionieren konnte. Schon Ende des 17. Jahrhundert überlegte der damalige Administrator der Stiftung, Erasmus Christian von Arenstedt, nach welchen Kriterien man die vorhandenen Mittel verteilen sollte, wenn die Erträge nicht mehr für alle Antragsteller reichten. (siehe auch: Die Akte Schultze gegen Krähe, Brief vom 31. August 1696). Die Familie vergrößerte sich schneller als erwartet und wie unsere Recherchen ergaben, wußten die Familienmitglieder in der Regel wie und wo sie sich bewerben konnten. Die Einkünfte konnten den steigenden Bedarf an Unterstützungen kaum mehr abdecken.Bereits im letzten Drittel des 18. Jahrhunderts gab es Zahlungsengpässe und die antragsteller mussten auf einen späteren Zeitpunkt vertröstet werden. Immer öfter findet man in den Briefen Wendungen wie: „sobald Geld in der Casse wäre“.

In dem Arktenkonvolut „Das Koppehel’sche Legatum zu Magdeburg, 1778-1775“, das die Familienmitglieder der Familienstiftung des Georg Koppehele 2019 restaurierten ließen, finden sich neben den Anträgen und Intercessionalien auch Anfragen, wo denn das zugesagte Geld bleibe. (siehe: das Koppehel’sche Legatum zu Magdeburg 1768-1775). Weiters fanden wir dort auch etliche Stammbäume, die den Anträgen beigefügt und meist von den örtlichen Pastoren bestätigt wurden. Diese Daten ergänzen oder bestätigen jene Daten, die wir in den Jüterboger Stammbaum-Büchern gefunden und in eine Datenbank eingetragen haben und geben oft auch einen Einblick in die Lebensumstände der Familienmitglieder. (siehe auch: Arbeitsgruppe Sstammbaumblaetter).

Interessant ist, dass in den Jahren 1811 – 1814 nur ein einziger Antrag aufscheint: jener von Johann Friedrich Wilhelm Hannemann (siehe: Johann Friedrich Wilhelm Hannemann). Der Umstand, dass sich Hannemann einige Jahre um die Auszahlung des Stipendiums streiten musste, hinterließ einen Briefwechsel, der es uns ermöglicht einen Blick in die Sozial- und Landesgeschichte zu tun.
Hannemann, Sohn eines Gärtners, wollte in Leipzig Medizin studieren und suchte um ein Stipendium an, das ihm auch gewährt wurde. Auf dessen Auszahlung wartete er jedoch vergebens und so erkundigte er sich nach dem Verbleib des Stipendiums direkt bei der Stiftungsadministration.
Es stellte sich heraus, dass ein Rendant etliche Stipendien veruntreut hatte und auch persönlich nicht mehr greifbar war. Diese Erkenntniss muss für den mittlellosen Studenten ein Schock gewesen sein, denn als Sohn eines Gärtners waren seine Aussichten auf eine familiäre Finanzierung des Studiums ziemlich aussichtslos.
Die Koppehl’sche Familienstiftung sah für einen Studenten 30 Reichsthaler jährlich, im Zeitraum von 3 Jahren vor; ausgezahlt nach Vorlage der Zeugnisse über die abgelegen Prüfungen. Da also das erste Studienjahr aus eigener Kasse zu bezahlen war, befand sich Hannemann in einer eher verzweifelten Lage.
Schlussendlich beschloss ein freundlicher Beamter des Preußischen Pupillenkollegiums Hannemann das Geld ein zweitesmal auszuzahlen, da es in den Jahren 1811 bis 1814 keine weiteren Anträge gab.

Da die Stipendien in den Jahrzehnten davor zahlreich in Anspruch genommen wurden, drängt sich die Frage auf, was zu dieser Abnahme der Ansuchen geführt haben könnte.Ein Grund dafür könnten die politischen Verhältnisse gewesen sein.
Nachdem Napoleon viele europäische Länder erobert hatte, zog er seine Grenzen neu und setzte für die Verwaltung dieser neu eroberten Gebiete seine Verwandten ein. So kam das Gebiet um Magdeburg an das Königreich Westphalen, das von Napoleons Bruder Jerome regiert wurde. Ob in dieser Zeit gar keine Anträge gestellt wurden oder ob sie in den politischen Wirren einfach nicht an die richtige Stelle kamen, wird man kaum mehr klären können.
1814 wurde Napoleon besiegt und die Gebiete erneut aufgeteilt. Es wurde eine Liquidationsgesellschaft gegründet, die dafür sorgen sollte, dass Akten und Dokumente wieder an die richtigen Stellen überstellt wurden und gegenseitige Forderungen aufgerechnet werden konnten. (Quelle: Allgemeiner Anzeiger, Nr. 155 Montag, den 11.Juli 1827, Spalte 1709 – 1716).
Magdeburg kam unter preußische Verwaltung und die Stiftung wurde vom sogenannten Pupillenkollegium verwaltet. Dieses Pupillenkollegium nahm seine Arbeit ernst und verfolgte alle noch offenen Vermögensfragen (siehe: Der Dom erhält ein langfristiges Darlehen). Es ist kaum zu glauben, aber auch das Domkapitel selbst nahm ein Darlehen bei der Familienstiftung auf und ließ sich mit der Rückzahlung durchaus Zeit. Der Dom war aber nicht der einzige Darlehensnehmer in den ersten Jahrzehnten. Anscheinend versuchten die Administratoren schon sehr früh das Vermögen durch Zinserträge zu vergrößern.

In den 1820er Jahren stellten die Administratoren neuerlich fest, dass das Reglement von 1756 auf Grund der veränderten Verhältnisse unzureichend war.
Unter anderem sollte ab 1835 die Abstammung der Familienangehörigen noch genauer überprüft werden. Es reichte nicht mehr aus nur anzugeben, dass bereits ein Elternteil eine Unterstützung erhalten hätte. Dass diese Handhabung Usus war, zeigen die im hist. Stadtarchiv Jüterbog gefundenen Dokumente sehr schön auf. (siehe: Patenschaft und Das Koppehel’sche Legatum zu Magdeburg). Die Ankündigung einer rigoroseren Handhabung führte dazu, dass sich viele Familienmitglieder ihre Abkunft durch beglaubigte Abschriften der Kirchenbücher bestätigen ließen. Einige Dokumente dazu haben wir im Mai 2019 im Jüterboger Stadtarchiv gefunden. Auch 2021 konnten wir wieder zahlreiche Schriftstücke zum Thema Abstammung finden. Das historische Stadtarchiv in Jüterbog hat sich in dieser Hinsicht als wahre Fundgrube gezeigt.
Aus dem Jahr 1833 gibt es eine Liste mit insgesamt 180 Antragsstellern. Leider besitze ich nur eine maschinschriftliche Abschrift dieser Liste (siehe: Namensliste 1833). Die 2021 durchgesehenen Schriftstücke helfen wieder ein Stück weiter, Ordnung in die Datenflut zu bekommen. Einen Großteil der Antragsteller konnten wir inzwischen dank der von uns angelegten Datenbank den einzelnen Stämmen zuordnen. (siehe auch: Arbeitsgruppe Stammbaumblätter)
Diese neue Satzung wurde am 17. Oktober 1834 bei einer Familienversammlung beschlossen und trat am 1. Juli 1835 erstmals in Kraft. So ist es zumindest der erhaltenen Abschrift aus den 1950er Jahren von Emil Heinemann zu entnehmen (siehe: Satzungen und Reglements).
Laut dieser Satzung sollten für die Verwaltung der Stiftung drei Familienmitglieder zuständig sein, die bei der Famillienversammlung gewählt wurden. Für die Kontrolle war das Oberlandesgericht Magdeburg verantwortlich. In dieser Satzung wird dem Rendanten eine enorme Handlungsfreiheit eingeräumt, quasi ohne Kontrolle.

Es liegt nun leider in der Natur der Sache, dass die Familienmitglieder immer zahlreicher wurden und die vorhandenen Mittel nicht ausreichten um allen Bedürfnissen gerecht zu werden. 1908 wandten sich die Administratoren der Stiftung daher mit einem Informationsblatt an die Familienmitglieder mit der Bitte, man möge doch nur in dringenden Fällen einen Antrag auf Unterstützung stellen (siehe: Satzungen und Reglements).

Nach dem ersten Weltkrieg war die Lage nicht besser und so scheint es verständlich, dass die Administratoren versuchten, Mittel und Wege zu finden um das Vermögen zu vergrößern.
Um die 1920er Jahren wurden die Grundstücke verkauft mit der Absicht das Geld in Wertpapieren anzulegen, die einen besseren Ertrag versprachen. So wurde es zumindest von den Administratoren begründet.
Ein Mitglied des Familienbeirat, Peter Michael Rainer und seine Frau Eva haben sich mit diesen Grundstücksverkäufen beschäftigt. Nachzulesen auf unserer Webseite der Stiftung: https://stiftung-koppehele.de „Recherche zu den Grundstücken der Stiftung“.
Ob die Anschaffung dieser Wertpapiere wirklich stattgefunden hat, lässt sich nicht mehr belegen. Zumindest habe ich noch keinerlei Unterlagen dazu gefunden.

Bereits 1927 hatte sich ein Familienmitglied, Herr Walther Meissner beim Landesgericht Magdeburg nach der Vermögenslage der Stiftung erkundigt. Möglicherweise war er einer der letzten, die noch in die Unterlagen Einblick nehmen konnten, denn nach dem Krieg waren viele der wertvollen Dokumente vernichtet.

1934 wurde der Familienverband des Geschlechtes der Koppehele gegründet, der in den Jahren 1934 bis 1937 die Familienversammlungen organisierte.
In dieser Zeit wurde die Familienstiftung von dem Familienverband des Geschlechtes der Koppehele beinahe zur Gänze in den Hintergrund gedrängt.
Offiziell hatte es sich dieser Familienverband zur Aufgabe gemacht, die Tätigkeiten der Stiftung zu kontrollieren. Aus den Briefen und amtlichen Schreiben geht hervor, dass der Verband große Sympathien für die Nationalsozialisten hatte. Der Verband gab 1935 und 1936 ein Mitteilungsheft heraus, das über seine Tätigkeiten, bzw. über die Familiengeschichte informierte. (Mitteilungsheft Nr. 2 gibt Auskunft über die Versuche, die Grundstückskäufe rückgängig zu machen.)

In seinen Aussendungen spricht der Verband immer wieder vom sogenannten Restvermögen der Koppehel’schen Familienstiftung. Dieses Geld war, so hieß es, in Wertpapieren angelegt. Woher dieses Geld stammte, ist leider gar nicht geklärt. Laut Statuten des Verbandes besaß der Verband selbst kein Vermögen, abgesehen von seinen Mitgliedsbeiträgen. Dieses sogenannte Restvermögen müsste also tatsächlich der Stiftung gehört haben. Umso mehr verwundert es, dass nach dem Krieg einige Mitglieder dieses Verbandes versuchten, an dieses Stiftungsvermögen zu gelangen um es unter acht namentlich angeführten Personen zu verteilen. Nach Durchsicht der Rundschreiben des Verbandes und einiger Privatbriefe, komme zumindest ich zu dem Schluss, dass dies niemandem gelungen ist.

Nach Ende des II. Weltkriegs wurden durch Beschluss des Magistrats Berlin alle in Berlin ansässigen Vereine aufgelöst. Jeder Verein musste sich danach wieder neu eintragen lassen, das wird wohl unterblieben sein. Im Landesarchiv Berlin habe ich dazu keine Unterlagen gefunden.

Von 1945 bis 1946 waren die neuen Bezirkspräsidenten in Magdeburg, Merseburg und Dessau für die Durchführung der Stiftungsaufsicht auf dem Gebiet des Landes Sachsen-Anhalt zuständig, ab Juni 1946 (gemäß § 80 BGB) das Generalreferat für Stiftungswesen in Halle. Im Juli 1952 kamen sämtliche Familienstiftungen unter Aufsicht des Rates des Bezirks, in unserem Fall war das der Bezirksrat von Magdeburg. Stiftungen, die wegen Vermögensverlust ihren Stiftungszweck nicht mehr erfüllen konnten, waren zu überprüfen um gegebenenfalls über ihre Auflösung zu entscheiden. Unsere Stiftung ist von diesem Prozedere verschont geblieben, da sie nach 1945 weder von Familienmitgliedern noch vom zuständigen Amtsgericht als bestehende Stiftung wahrgenommen worden ist. Die Akten der Aufsichtsbehörde sind beim Bombenangriff auf Magdeburg im April 1945 verloren gegangen. Als sich Herr Meissner, ein Familienmitglied, nach 1945 beim Rat des Bezirkes nach der Stiftung erkundigte, wurde ihm mitgeteilt, dass die Stiftung nicht bekannt sei und deshalb dem Wunsch nach einer Legitimierung der Administatoren zur Vorlage bei der Deutschen Notenbank nicht nachgekommen werden konnte.

Dem Interessenskreis der Koppehel’schen Familienstiftung und Frau Gerlinde Kühn ist es gelungen eine Revitalisierung der Familienstiftung zu erreichen. Die neue Satzung wurde um einige Punkte erweitert und 2010 vom Landesverwaltungsamt von Sachsen-Anhalt bewilligt.

Die vordringlichste, aber zugleich schwierigste Aufgabe ist es heute wieder ein Stiftungsvermögen zu erlangen, das es erlaubt den Willen des Stifters Georgius Koppehele zu erfüllen (siehe: Satzung 2010). In der erweiterten Satzung von 2010 wurde auch festgehalten, dass es aufgabe des Vorstands der Familienstiftung des Georg Koppehele sei die Stiftungsgeschichte zu erforschen und den Familienzusammenhalt zu fördern. Diese Punkte der Satzung werden vor allem durch die Arbeit des Familienbeirats erfüllt.

Westportal des Doms

Für einen Gärtnersohn war das

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